In all meinen Unterlagen steht zu lesen, dass ich unbestritten
männlichen Geschlechts bin. Mittlerweile habe ich das Alter von
67 Jahren erreicht. 47 Jahre davon hat mir meine Frau Christine
geholfen. Vor 45 Jahren wagte ich den Schritt zum Standesamt
und beantwortete die Frage der Standesbeamtin mit einem
stottrigen „Ja“. Mein erstes Kind verfolgte die Zeremonie,
versteckt hinter dem Brautstrauss, mit Interesse. Ende Oktober
kam es dann, ebenfalls unbestritten männlich, als Ingo zur Welt.
Zu der Zeit war ich vornehmlich damit beschäftigt, in wilden
Verkleidungen, über Stock und Stein durch die
unterschiedlichsten Geländeformen zu laufen. Ich war bei der
Armee, natürlich für drei Jahre, wie sich das gehört. Es kam für
mich mit meiner kommunistischen Erziehung gar nichts anderes
in Frage. Wenn ich aber wirklich ehrlich bin muss ich gestehen,
hinter vorgehaltener Hand, dass man zu der Zeit bevorzugt einen
Studienplatz dafür bekam. Außerdem auch noch ein um 80,00
Mark höheres Stipendium.
Heute noch muss ich feststellen, dass ich eine vorzügliche
Schulbildung genossen habe. Im Juli 1965 schloss ich die
10.Klasse der KJS Magdeburg mit dem Prädikat „Gut“ ab. Das
gelang mir ohne große Mühe. Eigentlich wäre es angezeigt
gewesen auch noch das Abitur zu machen, aber … Die
Umstände und meine Eltern ließen es nicht zu.
Im Februar 1968 schloss ich dann meine Lehre als
Elektromonteur erfolgreich ab. Mir blieb dann noch genau ein
Monat Zeit, bis ich meinen Ehrendienst im Wachregiment
antrat. Fortan war ich für drei Jahre „Tschekist“ und auch stolz
darauf.
Diese drei Jahre haben entscheidend dazu beigetragen, dass ich
im Januar 1973 den Entschluss fasste den Dienst beim
Strafvollzug aufzunehmen.
Der Strafvollzug bestimmte in der Folge mein Leben. Auf alle
Fälle sollte das so sein. „Sie sind in erster Linie Angehöriger des
Organs Strafvollzug!“, tönte es immer wieder aus dem Mund
der Vorgesetzten. Das habe ich, obwohl ich meine Arbeit gern
machte, immer wieder vehement zurückgewiesen. Im Gegensatz
dazu war ich immer Ehemann und Vater. Vater von zwei
Kindern. Als bewusster Staatsbürger Vater von zwei Kindern.
Ein Sohn, wegen der Sicherheit und eine Tochter wegen der
Reproduktion. Zwei Kinder, damit die Einwohnerzahl nicht
sinkt.
Heute bin ich, als relativ neue Aufgabe, ein begeisterter Opa.
Mein Enkel, Emil ist jetzt 7 Jahre alt. Seit dem ersten September
arbeitet er an einem guten Schulabschluss, vorerst in der ersten
Klasse der Waldschule in Hohen Neuendorf.
Gewerkschaftlich bin ich aktiv und vertrete meine Gewerkschaft
erst 14 Jahre als ehrenamtlicher Arbeitsrichter und jetzt seit zwei
Jahren als ehrenamtlicher Sozialrichter am Sozialgericht in
Neuruppin. Im Oktober bin ich 50 Jahre Gewerkschaftsmitglied.
Im Grunde bin ich ein ruhiger und ausgeglichener Mensch.
Manchmal explodiere ich, wenn der innere Druck zu groß
geworden ist. Dann verliere ich kurzzeitig die Kontrolle, ohne
allerdings gewalttätig zu werden. Schnell beruhige ich mich aber
wieder und bin dann nicht nachtragend.
Meine Kinder haben diese Art schätzen gelernt. Sie wussten
genau, dass sie mich nur toben lassen mussten, weil ich mich so
schnell wieder beruhigen würde. Beide Kinder wurden nie von
mir geschlagen. Darüber war eine Psychologin vollkommen
perplex. Wir hatten ihr unseren Sohn, der zeitweise etwas
stotterte vorgestellt. Sie wollte es einfach nicht begreifen, dass
absolute Gewaltfreiheit in der Erziehung möglich ist.
Mein ganzes Leben lang war ich kerngesund. Bis 2003 hatte ich
keinerlei krankheitsbedingten Arbeitsausfälle. Dann aber im
November 2003 hatte ich einen totalen Zusammenbruch. Ich
kam, übrigens das erste Mal, in das Krankenhaus. Dort
kämpften die Ärzte, wie ich später erfuhr, um mein Leben.
Ergebnis war dann, dass ich Diabetiker Typ 2 war und meine
Galle abgeben musste. Wegen der unglaublichen Schmerzen, die
mir dieses kleine unnütze Ding verursacht hatte, tat ich das sehr
gern. Wie lange ich davor schon Diabetiker war ist mir leider
nicht bekannt. Ich lebe jetzt aber bewusster. Seit der Zeit nehme
ich als Nahrungsergänzung verschiedene Tabletten ein. Seit drei
Jahren durchlöchere ich mir morgens und abends zusätzlich die
Bauchhaut auch noch mit Spritzen. Seit einem Jahr benutze ich
als Gehhilfe einen Stock. Drei Tage Hardcorespielen mit Enkel
Emil im Garten lösten eine Entzündung in der Hüfte aus.
Schmerzen sind weg, aber trotzdem hat das Gleichgewicht
gelitten. Emil kennt das mittlerweile und stellt mir überall da,
wo ich ihm helfen soll einen Hocker hin, damit Opa sich setzen
kann. Aber ansonsten bin ich gesund.
Heute habe ich ihn zur Schule gebracht und er hat mir seine
Verlobte gezeigt – ein süßes Mädchen. Schade, dass er erst 7
Jahre alt ist. Noch zu früh für eine Schwiegertochter oder wie
heißt das bei Opas?