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drjaw

In der großen Obstplantage des Imkers Paul Süß stehen 15
Magazinbeuten. Sie ist umgeben von einer bunten Blumenwiese.
Ein intensives Summen liegt in der Luft. Die Obstbäume stehen
in voller Blüte. Steht man unter einem der Bäume versteht man
sein eigenes Summen nicht mehr so laut sind die Bienen in den
Bäumen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen.
Ich sitze auf dem Ast eines Apfelbaumes am Rande der
Plantage. Er steht auf einer kleinen Anhöhe und so habe ich
einen guten Überblick.
Ich bin Amanda. Meine Arbeitsstelle sind die „Honighausener
Neuesten Nachrichten“. Meine Chefin Klara Zuckersüß hat
mir den Auftrag erteilt, eine Reportage über die Imkerei
„Honigparadies“ zu schreiben. Diese Imkerei steht an der
Spitze des Honigwettbewerbs und hat einen
Durchschnittshonigertrag pro Volk von 55 kg. Wir wussten
bisher, dass es Völker gibt die gelegentlich bis zu 60 kg
erreichen. Ein Durchschnittswert von 55 kg aber ist in unserer
Gegend Spitze und von anderen Völkern nicht einmal
annähernd erreicht.
Nach einer Stunde verlasse ich meinen Beobachtungsplatz auf
dem Baum und fliege zu einem auffälligen hellgelben Magazin
in der Mitte der Plantage. Am Rand des Flugbrettes setze ich
mich und beobachte das emsige Treiben.
Sofort erscheinen 4 Bienen mit goldenen Helmen und strengem
Blick. Sie fragen, was ich hier will und verlangen die Parole.
Parole? – Habe ich vergessen mir geben zu lassen.
Zur Sicherheit zeige ich ihnen meinen Ausweis und erkläre den
Grund meines Besuches.
Sie beraten kurz und sind dann damit einverstanden, dass ich
hier sitze. Ich atme tief durch, muss aber sofort husten.
Dadurch, dass die Bienen unermüdlich ein- und ausfliegen hüllt
mich eine dichte Pollenwolke ein.
Beim Betrachten des Fluglochs fällt mir auf, dass es mit einem
engen Gitter versperrt ist. Die Bienen passen da zwar durch,
verlieren aber ihre Pollenhöschen. Diese fallen mit lautem
Poltern in einen Behälter unter dem Flugbrett.

Einmal am Tag kommt Imker Paul vorbei und kontrolliert den
Behälter. Am späten Nachmittag entfernt er dann das Gitter und
wechselt den Auffangbehälter aus. Morgens, wenn die Sonne
aufgeht, befestigt er ein neues Gitter am Flugloch.
Bei den Bienen löst das unterschiedliche Reaktionen aus.
Manche laufen unbeirrt in die Beute. Andere wieder zucken
zusammen und betrachten erstaunt ihre Hinterbeine, an denen
eben noch die Pollenhöschen klebten.
Aus der Beute laufen viele Bienen, halten auf dem Flugbrett
kurz inne, orientieren sich und fliegen mit einem hohen, hellen
Summen ab.
Mit tiefem Brummen kommen schwer beladene Bienen am Brett
an. Manche verfehlen im ersten Anflug das Brett und fliegen
erneut an. An ihren Hinterbeinen hängen dicke Pollenhöschen in
unterschiedlichen Farben.
Es sind die Trachtbienen bei der Arbeit. Obwohl sie alle
schweißüberströmt sind, machen sie doch einen zufriedenen
Eindruck. Eine Gruppe von 4 Jungbienen nimmt sie in Empfang
und tupft ihnen den Schweiß ab. Mit einem freundlichen
Lächeln bitten Sie die ankommenden Bienen in die Beute.
Plötzlich entsteht eine große Aufregung am Flugloch, die
Kundschafterbienen sind zurück. 3 Wächterbienen kontrollieren
sie, fragen nach der Parole und lassen sie ein.
Aus der Beute ist ein verstärktes Summen zu vernehmen. Das
muss ich mir nachher unbedingt erklären lassen.
Ich will gerade meinen Beobachtungsposten verlassen, als es am
Flugloch zu einem Kampf kommt. Die Wächterbienen haben
Alarm geschlagen, weil Fremdlinge versuchen in die Beute zu
gelangen, um Honig zu stehlen. Die Fremdlinge sind zwar gut
verkleidet, kennen aber die Parole nicht. Es beeindruckt mich,
mit welchem Mut und Konsequenz die Wächter kämpfen. Es
dauert keine 10 Minuten und die Situation ist bereinigt.
Der normale Flugbetrieb setzt wieder ein.
Mittlerweile ist es Mittag und die Sonne brennt unbarmherzig
auf die Beute. Am Flugbrett erscheint eine Gruppe Jungbienen,
dreht den Hinterleib in Richtung Flugloch und summt los. Sie
wedeln Frischluft in das Volk. Damit wird die Temperatur im
Inneren reguliert. Es ist schon eine Augenweide die
Organisation zu sehen. Vor allem die Ruhe mit der das alles
abläuft.

Ich begebe mich zum Flugloch und werde wieder durch 4
Bienen aufgehalten.
Mittlerweile war nämlich Wachablösung. Doch die Frühschicht
hat die Spätschicht nicht über mich informiert. Ich trage also
nochmals mein Anliegen vor und weise mich aus. Die oberste
Wachbiene führt ein kurzes Telefonat und teilt mir dann mit:
“Warten sie bitte hier, sie werden abgeholt!“ Eine Viertelstunde
später zwängt sich eine dicke Biene durch das Gitter. Sie stellt
sich als Wachhabende Angelika vor.
„Sind Sie die Reporterin?“ fragt sie mich. Ich weise mich zum
dritten Mal aus und bin angenehm überrascht von den
Sicherheitsmaßnahmen. „Muss alles sein. In letzter Zeit nehmen
die Überfälle auf uns stark zu. Außerdem hat es auch
hygienische Gründe. Sie werden das sicher verstehen.“
Natürlich konnte ich das verstehen. Ich erinnere mich an mein
letztes Essay, als ich über das Bienensterben in den USA
berichtet habe. Nach den hiesigen Erfahrungen bin ich fast
sicher, dass das bei uns nicht passieren kann.
Neugierig betrete ich das Magazin. Dort erwartet mich bereits
eine Sammelbiene. Sie stellt sich als Pressesprecherin
Franziska vor.
„Schön, dass sie uns einmal besuchen. Ihre Zeitung wird bei uns
sehr viel gelesen, obwohl wir gerade wenig Zeit haben!“
„Ich meine Sie sollten erst einmal den ganzen Ablauf
beobachten. Dann können Sie ja immer noch Fragen stellen. Ich
stehe Ihnen sehr gern zur Verfügung. Eine Einschränkung muss
ich allerdings machen.
Unsere Königin Elisabeth die 12. kann leider keine Fragen
beantworten. Sie hat voll und ganz mit dem Eierlegen zu tun.
Die Sammelbienen werden gegenwärtig nur etwa 3 – 4 Wochen
alt, dann sind sie so abgearbeitet, dass sie sterben. Ganz traurig,
aber so ist ein Bienenleben nun mal. Für ihre Majestät heißt das
verstärkt um Nachwuchs sorgen.“
Ich setze mich also wieder in eine Ecke und beobachte.
Links von mir hängt ein Schild mit der Aufschrift
„Tanzschule“. Ganz junge Bienen stellen sich in einer Reihe
auf. Eine Altbiene steht vor Ihnen und hält einen Vortrag. Dann
gibt sie Anweisungen und alle fangen gleichzeitig an mit dem
Hinterleib zu wackeln. Das ergibt ein manchmal recht lustiges

Bild. Hin und wieder stoppt eine Biene, scheint zu überlegen
und wackelt dann weiter.
Sie lernen hier Bienisch.
So teilen sie später ihren Sammelbienen mit, wo es eine gute
Tracht gibt.
Auf der anderen Seite steht ein Schild mit der Aufschrift
„Bienenschule“. Ganz helle, junge Bienen streben in den
Eingang. Amelie, die Schulbiene, unterrichtet hier die frisch
geschlüpften Bienen in Honigkunde, Hygiene und Fachkunde,
sowie Honigrecht.
Zwischen den beiden Schildern befindet sich ein ausgetretener
Pfad, auf dem ein ständiges hin und her herrscht. Die
Sammelbienen bringen ihren gesammelten Nektar zu den Zellen
und verlassen die Beute wieder, um neuen Nektar und Pollen zu
holen.
Mir fällt noch eine kleine Tür auf. „Honiglabor“ steht darauf.
Neugierig öffne ich die Tür und stehe in einem Laboratorium. In
glänzenden Glasbehältern kochen und blubbern
verschiedenfarbige Flüssigkeiten. Ein angenehmer Geruch nach
Honig und Bienenschweiss hängt in der Luft. Er erinnert mich
schmerzlich daran, dass ich heute noch nichts gegessen habe.
Hier wir jedenfalls der Honig geprüft und untersucht, ob er frei
von Schadstoffen ist. Doch ich muss erst einmal etwas essen.
Auf der Suche nach dem Speisesaal kommt mir eine große
uniformierte und bewaffnete Biene entgegen. Sie stellt sich als
Kampfbiene Agathe vor. Meinen suchenden Blick hat sie
bemerkt und fragt, womit sie mir helfen kann. „Ich suche den
Speisesaal oder die Kantine. Habe heute noch nichts gegessen!“
Sie bedauert mich und zeigt mir den Weg.
Ich erreiche den Speisesaal. An langen Tischen sitzen Bienen
vor ihren Näpfen und schlürfen Honig. An der Theke hängen
Schilder mit der Aufschrift: Raps, Linde, Frühjahrstracht 2015,
Apfel. Ich entscheide mich für eine Mischung aus Linde und
Apfel. Ich setze mich an einen Tisch mit der Aufschrift „Gäste“.
Meine Honigmischung ist köstlich! Zufrieden lehne ich mich
zurück, schließe die Augen und finde, dass das Bienenleben
herrlich ist.
Plötzlich wird es hell. Die Alarmsirenen heulen und in kürzester
Zeit ist der Saal leer. Neben mir bewegt sich eine Wand und
verschwindet. Sie gibt den Blick frei auf eine weitere Wand mit

sechseckigen Zellen auf denen Deckel zu sein scheinen. Mein
Blick geht nach oben. Ein dicker Schwall eines übelriechenden
Rauches kommt mir entgegen. Hinter der Rauchwolke kann ich
ein schlankes Gesicht mit freundlichen Augen und dicker roter
Nase erkennen.
Imker Paul kontrolliert mal wieder seine Bienen.
Nach 30 Minuten wird es wieder dunkel und die Bienen kehren
nach und nach zurück. Doch jetzt klingt ihr Summen ganz
anders. Es ist fast ein Echo zu hören. Die Luft hat sich
verändert. Der Honiggeruch ist einem Gestank nach Rauch
gewichen. Die Wände sehen auch vollkommen verändert aus.
Wo vorhin noch eine relativ glatte Fläche war, sind jetzt
sechseckige Zellen zu erkennen. Hunderte Jungbienen sind mit
hochgereckten Hinterleibern und wirbelnden Flügeln damit
beschäftigt den Rauch aus der Beute zu wedeln.
Franziska erklärt mir, dass ihr Imker gerade die fertigen
Honigwaben gegen neue, leere Waben ausgetauscht hat. Das
bedeutet für sie, dass sie wieder neuen Honig in die Waben
füllen müssen. Gegenwärtig ist das auch nicht so schwer, weil in
der Umgebung so viele Pflanzen blühen. Später wird das
schwerer, weil die Blütenfülle nachlässt. Sie scheint über eine
Angewohnheit des Imker Paul ganz empört.
„Warum nur macht er immer so einen Qualm? Braucht er doch
gar nicht! Wir kennen ihn doch und tun ihm nichts. Das er uns
nicht verhungern lässt wissen wir ja. Später bekommen wir ja
Zuckerwasser von ihm. Das schmeckt zwar nicht so gut, hilft
uns aber über den Winter! Außerdem hört er immer rechtzeitig
damit auf, uns den Honig wegzunehmen. Da können wir dann
das Zuckerwasser gut mit dem Resthonig mischen und für den
Winter einlagern.“
Mir beginnt langsam der Kopf zu schwirren. Eine so große
Menge an Informationen hatte ich doch nicht erwartet. Ich
möchte mich verabschieden, doch Franziska lässt mich nicht
gehen.
„Amanda, bitte hör mir noch einmal zu. Wir haben in der letzten
Zeit ein ganz großes Problem. Ich werde es Dir am Besten in
unserer Krankenstation zeigen. Bitte komm mit.“
Wir verlassen den Speisesaal und gehen zwei Stockwerke höher.
An einem Schild mit der Aufschrift „Krankenhaus“ machen
wir halt. Gleich daneben hängt ein weiteres Schild mit der

Aufschrift „Hospiz“. „Wir sind da“, sagt Franziska mit ernster
Mine. Ihre Stimme klingt traurig.
Im Krankenhaus stehen in langen Reihen Betten mit kranken
Bienen. Sie liegen apathisch und mit leerem Blick in ihren
Betten. Es macht betroffen das zu sehen. „Was ist denn hier
passiert?“ frage ich.
Franziska antwortet, dass diese Bienen von einer Milbe, einem
bösen Feind der Bienen befallen waren. Die dadurch ausgelöste
Krankheit, verläuft immer tödlich. Wir können ihnen jetzt, in
diesem Stadium, nicht mehr helfen. Unsere Forschungsabteilung
hat sich nunmehr mit den Instituten der Menschen
zusammengeschlossen und arbeitet mit Hochdruck an der
Lösung des Problems. Bisher ist allerdings eine Lösung noch
nicht in Sicht.
Bitte berichte in Deiner Zeitung darüber und mach allen klar,
dass die Situation sehr ernst ist. Wir verlieren langsam die Kraft
uns selbst gegen die Milben zu wehren. Sie befallen bereits
unsere junge Brut und das führt zu schweren Schäden. Sollten
wir nicht bald ein Mittel finden, dann ist es zu spät.
Zu all dem Übel sind die Menschen nicht wirklich bereit, auf
ihre Schädlingsbekämpfungsmittel zu verzichten. Diese führen
ebenfalls zu schweren Erkrankungen bei uns. Bitte appelliere in
Deiner Zeitung an die Vernunft der Menschen!“
Ich verspreche Franziska mein Möglichstes zu tun. In der
nächsten Zeit werde ich zu vielen Imkern fliegen und ihnen die
Probleme vorsummen. Hoffentlich hilft das auch!
Nachdenklich verlasse ich die Beute. Das emsige Treiben hat
etwas nachgelassen. Es ist spät. Die Sonne steht riesig über
einem herrlich blühenden Apfelbaum und scheint sich in dessen
Ästen langsam zu setzen. Vor der Riesenscheibe sieht man die
letzten, schwer beladenen Sammelbienen zurückkehren.
Wären da nicht die eben erfahrenen Dinge, könnte man sich der
Schönheit des Augenblicks hingeben und den herrlichen
Anblick genießen. Doch jetzt habe ich keinen Blick für die
Idylle!
Morgen, so nehme ich mir vor, morgen komme ich wieder und
werde erst einmal Paul Süß etwas über die Probleme seiner
Bienen vorsummen. Vielleicht, nein hoffentlich versteht er mich
und kann mir Adressen von anderen Imkern nennen. Die werde
ich dann alle abfliegen und informieren.

Jetzt aber muss ich mich beeilen nach Hause zu kommen.