Der Erwerb der Fahrerlaubnis für PKW löste bei mir Stress aus.
Riesige Lust am Fahren, ohne eine Aussicht auf ein Auto.
Immer wieder haben wir uns im Familienrat darüber unterhalten,
kamen aber stets zu dem Schluss – geht nicht.
Häufige Besuche auf Automärkten waren frustrierend. Schon
ein gebrauchter Trabant war nicht unter 18.000,00 Mark zu
bekommen. Dabei grinsten einen die Verkäufer auch noch frech
an.
Also blieb ich bei meinem ES – Gespann. Natürlich war das für
eine vierköpfige Familie zu klein. Konnten wir noch 1978 damit
in den Urlaub fahren, so war schon 1979 nur noch Platz für mich
und Ingo. Der Seitenwagen war mit Gepäck gefüllt. 1980 dann
war Schluss und ich konnte nur noch allein fahren, weil aller
Platz mit Gepäck gefüllt war. Wir sahen keinen Ausweg aus
diesem Dilemma.
Wie so häufig, half uns dann Lutz aus der Klemme. Er hatte
einen uralten Wartburg 311 gekauft. Den bot er uns an, wenn er
sich demnächst einen Trabant kauft.
Ganz, ganz toll fand ich und wartete ungeduldig, dass es endlich
so weit ist. Pünktlich zu unserem nächsten Ostseeurlaub stand er
nun da, der Wartburg. Er wartete auf seine Beladung und ich,
dass wir losfahren.
„Alle einsteigen, es geht los!“ Anfangs fuhren wir auch ohne
Probleme, jedenfalls die ersten 50 km. Bereits hinter Gransee
konnte ich nicht mehr so richtig schalten. Mir standen die
damals noch vorhandenen Haare zu Berge. Meiner Frau sagte
ich nichts und versuchte, im Getriebe rührend, das Problem in
den Griff zu bekommen. Ab Dannenwalde ging es dann. Endlich
lief alles prima! – Aber nicht lange!
In Neubrandenburg leuchtete plötzlich eine rote Kontrolllampe
auf. Was nun? Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem
Ergebnis, das Ding lädt nicht mehr. Regler im Arsch! Trotzdem
fuhren wir natürlich weiter.
Der Rest der Fahrt verlief dann ohne Zwischenfälle. Gegen
18.00 Uhr erreichten wir den Zeltplatz – endlich! Die ersten
Tage grübelte ich: „Was machen wir nur, so kommen wir doch
nicht wieder nach Hause!“ Am Ende der ersten Urlaubswoche
beschloss ich: „Wir fahren nach Bergen und lassen in einer
Werkstatt den Regler wechseln!“ Gesagt, getan. Eine Werkstatt
war schnell gefunden. Der Meister bedauerte, dass er keinen
Regler hat bot aber an, den vorhandenen zu reparieren. Prima!
3 Stunden später war auch das erledigt. Irgendetwas hatten sie
gelötet – ich weis es nicht.
Alle rein und los! Keinen Kilometer später bekam ich Probleme
mit der Kupplung. Also anhalten und nachsehen. Motorhaube
auf und den Maschinisten betrachtet. Ahnung hatte ich keine,
was man mir aber keinesfalls ansah. Schnell hatte ich auch den
Fehler gefunden. Ziemlich in der Mitte des Motorblocks befand
sich ein kleiner leerer Plastebehälter. Auf dem Marktplatz von
Bergen fragte ich einen Major, ob hier ein Ersatzteilladen sei,
weil ich eine Leitung und Flüssigkeit für meine hydraulische
Kupplung am Wartburg 311 brauche. Er sah mich sehr erstaunt,
ja sogar etwas ungläubig an. Trotzdem zeigte er mir einen
Ersatzteilladen.
Dem Verkäufer erklärte ich dann lang und breit mein Anliegen.
Irgendwie hatte ich später das Gefühl, dass er sich nur schwer
ein Lachen verkneifen konnte. Er verkaufte mir dann eine
Flasche Bremsflüssigkeit. Noch auf dem Parkplatz in Bergen
füllte ich zufrieden meine Bremsflüssigkeit in den leeren
Behälter und fuhr los. Immer wieder teilte ich mit, dass es jetzt
besser schaltet, was mir meine Familie auch bestätigte. Die Welt
war wieder in Ordnung. Der Urlaub wurde dann sehr schön. Das
Wetter meinte es mehr als gut mit uns. Der Wohnwagen, in dem
wir Urlaub machten, ein Bastei des Betriebes von Christine wart
schön. Den fehlenden Fernsehapparat haben wir nicht vermisst.
Stattdessen hatte ich einen utopischen Roman über eine
Venusexpedition mitgenommen. Abends habe ich daraus immer
vorgelesen und meine Familie hörte gespannt zu.
Nach zwei Wochen ging der schöne Urlaub zu Ende. Die
Sachen waren gepackt und verladen. Zum Abschied
unternahmen wir noch eine Strandwanderung im Dämmerlicht
der untergehenden Sonne. Es war ausgesprochen romantisch.
Als die Kinder eingeschlafen waren gingen Christine und ich
noch einmal an den Strand. Der tiefschwarze, sternenklare
Himmel wölbte sich über uns. Ein ganz leichter Wind, mehr ein
Hauch ließ die Wellen sich kräuseln. Ein rhythmisches
Rauschen ging vom Meer aus. Die Atmosphäre war einmalig. In
dieser Nacht waren wir uns besonders Nahe. Der Eine versank
im Anderen. Wir vergaßen alles um uns her.
Am anderen Morgen traten wir die Heimreise an. Sie wurde zu
einem belastenden Erlebnis.
Unser Wartburg sprang nach dem 4. oder 5. Versuch auch
„sofort“ an. Alle nahmen Platz und los ging es. Ich war
zufrieden, dass das Auto so gut lief, ja, zumindest bis Stralsund.
Dort am Ende des Rügendamms, direkt vor dem Bahnhof,konnte ich nicht mehr schalten. Die Kupplung versagte den
Dienst. Wir saßen an einer Kreuzung, der Einmündung zur F 96,
fest. Keine Kupplung und daher auch kein schalten möglich.
Also alle aussteigen und Auto über die Kreuzung schieben.
Wieder sah ich mich wissendem Blick in den Motorraum, fand
aber natürlich nichts. „Einen Versuch haben wir aber. Ihr müsst
mich anschieben und ich versuche zu schalten.“ Ich saß im Auto
und Christine, Jana und Ingo schoben. Nach einer relativ kurzen
Strecke gelang es mir in der ersten Gang zu schalten. Alle drei
sprangen behände in das rollende Auto. Wenn ich kurz Gas
wegnahm konnte ich, Gott sei dank, sogar schalten. Ingo war
begeistert. „Das ist ja Klasse Papa. Ihr könnt sitzen bleiben, ich
schiebe das nächstemal alleine an!“ Wir waren damit
einverstanden, obwohl Ingo erst 10 Jahre alt war. Aus Angst,
dass etwas passiert schaltete ich nur sehr selten. Anhalten
musste ich dreimal. Jedes mal hat uns Ingo dann angeschoben.
So kamen wir bis nach Oranienburg, dann war endgültig Schluss
mit schalten. Nichts ging mehr! Die 10 km bis Hohen Neuendorf
fuhren wir dann im ersten Gang.
Lutz war schon da. Ich schilderte ihm den Verlauf des Urlaubs.
Auf der Stirn wuchs eine tiefe Sorgenfalte. Sie wurde durch
Lachfältchen abgelöst als ich ihm vom Kauf der
Bremsflüssigkeit erzählte. „ Der Wartburg hat keine
hydraulische Kupplung. Wie kommst Du denn darauf? Was in
dem Behälter mal war und wofür, kann ich Dir nicht mehr
sagen, jedenfalls ist er abgeklemmt!“ „Aha“, dachte ich. Mir
war nun auch klar, warum der Major in Bergen so erstaunt
geguckt hatte und der Verkäufer lachen musste.
Tage später erklärte mir Lutz dann die Ursachen für unsere
Horrorfahrt. Wir saßen wieder im Keller, in unserer Ecke und
stachen den neuen Wein um. „Der Wartburg hat einen Rahmen.
Die Karosserie ruht auf Silentblöcken und berührt also den
Rahmen nicht. Der Rahmen war an einigen stellen unter den
Silentblöcken durchgerostet. Daher ist die Karosserie auf den
Rahmen gefallen und das Schaltgestänge und weitere Teile
waren so verbogen und geschädigt, dass man weder kuppeln
noch schalten konnte. Ein Wunder, dass ihr noch bis hier her
gekommen seid. Wenn Du zu schnell in eine Kurve gefahren
wärst, dann würde nur der Rahmen abbiegen und ihr weiter
geradeaus rutschen.“ „Na toll“, dachte ich.
Über meinen Bremsflüssigkeitskauf haben wir dann aber doch
noch lange lachen müssen.
„Nächstes Jahr werde ich Euch besuchen kommen mit meinem
Habicht, versprochen!“
Die Nacht wurde dann noch sehr schön und der Wein weniger.
In dieser Nacht schliefen wir wieder einmal im Keller in unserer
Weinecke.