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drjaw

Es ist ein wunderschöner Sommertag im Jahr 1956. Auf einer
großen Wiese liegt sich ein Paar in den Armen. Sie sind
vollkommen im Augenblick versunken. Die Vögel zwitschern
ihr Lied. Alles ist friedlich. Perfekte Sommerathmosphäre.
Nicht weit entfernt lärmt eine Gruppe Kinder. Es ist ein
fröhlicher Lärm, der nicht stört. Die Frau richtet sich auf und
lächelt den Kindern zu. Jetzt erkennt man, dass sie sicher bald
ein Kind bekommen wird. Ihr Partner streicht ihr zärtlich über
den hochgewölbten Bauch.
Die Kindergruppe spielt an einem kleinen Wasserlauf, der lustig
über die Steine hüpft. Ein wenig weiter münden andere
Wasserläufe in den Bach und machen ihn nach und nach zum
Flüsschen.
Es stellt sich heraus, dass es sich bei den Kindern um eine
Gruppe aus dem nahe gelegenen Kinderferienlager in
Wendefurth handelt. Alle kommen aus Magdeburg. Sie kennen
so ein kleines Bächlein nicht. Durch Magdeburg fließt nur die
dreckige Elbe.
Jetzt wenden sich die Kinder den in der Nähe grasenden Kühen
zu. Für sie ein einmaliger Anblick. Kühe haben sie bisher noch
nicht aus der Nähe gesehen.
Ein Erwachsener Begleiter schreit plötzlich laut „Hallo!“ Die
Kinder verstummen erschrocken. Sie sehen sich erstaunt und
den Begleiter fragend an! Plötzlich schallt der Hurraruf vielfach
von den umliegenden Bergen zurück. Die Gruppe berät sich und
die Kinder bekommen den Rat auch zu rufen.
„Wie spät ist es in Magdeburg?“ Das Echo würde ihnen sofort
antworten.
Mit dünnem Kinderstimmchen ruft einer nach dem anderen,
aber vergebens. Plötzlich, es hat gerade ein etwas größerer,
dicker Junge gerufen, kommt aus den Bergen die Antwort:
„Achte durch!“ Die Kinder sind begeistert. Begeistert versuchen
sie erneut das Echo zu rufen, aber vergebens!
Der Mann hat seine Partnerin wieder in den Arm genommen
und lauscht an ihrem Bauch. Er unterhält sich mit seinem
ungeborenen Kind. Man sieht ihm die Freude an. Mit Sicherheit
wird er mit seiner Frau und dem Kind eines Tages an diese
Stelle zurückkehren und ihm vom heutigen Tag erzählen.
Vielleicht ist ja dann auch schon ein Enkelkind dabei. Aber wird
es den Zauber des heutigen Tages noch verstehen?
Die Gefühle brausen hoch. Halte mich fest und beschütze mich
scheint die Frau zu sagen. Es ist ein wunderbarer Moment.
Doch plötzlich ziehen dunkle Wolken über den Himmel. Ein
Gewitter ballt sich zusammen und zerstört den Zauber des
Augenblicks. Ein Weilchen verharrt das Paar im Regen und
tanzt übermütig über die Wiese. Die Kinder laufen davon.
Schade! Nie wieder werden sie an diesen Ort zurückkehren
können. Es wird ihn nicht mehr geben!
35 Jahre später kommt der Mann mit seiner Frau und seiner
Tochter hierher zurück und erlebt einen Schock. Die wunderbare
Wiese ist mit dem gestauten Wasser der Rappbodetalsperre
bedeckt, das Echo ist verstummt. Mit traurigem Blick stehen die
Beiden am Wasser und erzählen ihrer Tochter von dem
wunderschönen Tag auf der Wiese an dem kleinen Bächlein und
den lärmenden Kindern.
Ich nehme meine Frau in den Arm und drücke sie ganz fest,
gerade wie damals vor 35 Jahren.